Der Gotthardtunnel: Mitten durch die Alpen mit der Eisenbahn
Mit 57 Kilometern Länge ist der Gotthard Basistunnel der längste Eisenbahntunnel der Welt. Die Bahnstrecke durchquehrt mit zwei parallel verlaufenden Tunnelröhren die zentralen Schweizer Alpen und führt in Nord-Süd-Richtung durch die Schweizer Kantone Uri und Tessin. Nach 17 Jahren Bauzeit wurde der Tunnel am 1. Juni 2016 eröffnet.
Schon Jahrhunderte vorher war die Strecke eine wichtige Handelsroute. Doch die Durchquerung der Alpen war früher ein mühseliges Unterfangen. Viele Sagen und Legenden ranken sich um die Berge und Schluchten. Einer solchen Geschichte nach soll die Teufelsbrücke über die Schöllenen am Gotthard durch einen Pakt mit dem Teufel entstanden sein. Die erste Holzbrücke ist wahrscheinlich im 13 Jahrhundert entstanden und wurde im 16. Jahrhundert durch einen massiven Steinbau ersetzt.
Gefährliche Wege am Saum der Berge
Die Brücke verkürzte die Marschzeit damals um volle drei Stunden. Über 600 Jahre lang gehörten die Bergstraßen den so genannten "Säumern". Der Name kommt daher, weil sie sich an den Saumpfaden durch die Alpen bewegten. Schon im 11.Jahrhundert existierte ein Transitweg. Die Säumer transportierten Ware von Süden, zum Beispiel Reis, Wein, Tabak, Papier, Öle sowie im Winter Meerfische und von Norden Käse, Wolle, Seide, Häute und Felle.
Weil die Brücken immer wieder von Hochwässern zerstört wurden, wurde der Tessiner Festungsbaumeister Pietro Morettini mit dem Bau eines Tunnels beauftragt. Ein Jahr darauf konnte dieser von den Säumern passiert werden. Er galt als der erste Tunnel im Alpenraum und hatte eine Länge von 64 Metern.
Von der Kutsche zur Eisenbahn
Erst 1820 wurde damit begonnen, die Gotthardstraße befahrbar zu machen. Zehn Jahre später war das schwierige Unterfangen gelungen. Bald verkehrte drei mal wöchentlich eine Postkutsche zwischen Flüelen und Chiasso. Eine Reise von Basel nach Mailand dauerte 50 Stunden und kostete umgerechnet in unsere heutige Währung 8.000 Euro.
Doch die Zeit der Kutschen hatte bereits ihren Zenit überschritten. Mit der Eisenbahn war ein neues, modernes Verkehrsmittel geboren, das durch Zuverlässigkeit und Schnelligkeit glänzte. Bald tauchte die Frage nach einer Alpenbahnlinie auf. Alle Pässe wurden auf Steigung, Streckenlänge und Fahrzeit geprüft, und der Gotthard kam als eindeutiger Sieger hervor. Allerdings konnten andere Bahnlinien schneller realisiert werden.
Die kühnste Alpenquerung
Nach der Semmering-Bahn (1854), der Brennerbahn (1867) und der Mont-Cenis-Strecke (1871) war die Gotthard-Bahn die vierte, aber zugleich auch die kühnste Alpenquerung. Italien, Deutschland und die Schweiz unterzeichneten erst 1871 den Gotthardvertrag. Nach weniger als neun Jahren gelang der Durchbruch am 28. Februar 1880.
Am 1. Juni 1882 wurde die durchgehende Verbindung von Immensee bis Chiasso feierlich in Betrieb genommen. Zu diesem Zeitpunkt war der 15.003 m lange Gotthard-Scheiteltunnel der längste Eisenbahntunnel der Welt und wurde erst 1906 vom Simplon-Tunnel übertroffen. Schon bald nach der Eröffnung der Strecke wurde sie durch Festungsanlagen militärisch gesichert, zu denen auch eine künstliche Lawine aus Steinen gehörte, die den Südausgang des Tunnels bei Airolo im Konfliktfall verschütten sollte
Die Autobahn
Nach 1950 verlagerte sich der Verkehr von der Schiene wieder auf die Straße. 1960 gab es in der Schweiz bereits eine halbe Million Autobesitzer. Gleichzeitig gewann Italien an touristischer Bedeutung, das Land war zum Lieblingsreiseziel der Deutschen geworden. So wurde der Bau der N2 von Basel nach Chiasso mit dem Autobahntunnel beschlossen. Nach elf Jahren Bauzeit konnte der Tunnel am 5. September 1980 eröffnet werden.
Die Katastrophe
Ein schwerer Verkehrsunfall führte am 24. Oktober 2001 zum Brand und zur vorübergehenden Schließung des Gotthardtunnels. Insgesamt waren in den Unfall 13 Lastwagen, vier Lieferwagen und sechs PKW verwickelt.
Als Entlastung der Gotthardbahn wurde schließlich der Gotthard-Basistunnel gebaut. Er ist Bestandteil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT).