Jacques Piccard: Reise zum tiefsten Punkt der Erde
Am 23. Januar 1960 ging der Tiefseeforscher Jacques Piccard in die Geschichte ein. Im Team mit der amerikanischen Marine tauchte er zum bis dahin tiefsten bekannten Punkt der Erde: Fast 11.000 Meter hinab in den Pazifik. Ein Rekord, der bis heute unangetastet ist.
Ein Bathyskaph diente Jacques Piccard als Tauchboot zum tiefsten Punkt der Erde. 1960 ein weltbewegendes Unterfangen!Quelle: ©VikaRayu, Shutterstock
Die Tiefen des Meeres beschäftigen die Menschen seit der Antike. Immerhin 71 % der Oberfläche unseres Planeten sind von Ozeanen bedeckt und trotzdem wissen wir nur einen Bruchteil davon, was sich tief unter dem Wasser verbirgt. Vor allem der enorme Druck hat Wissenschaftler und Ingenieure bis ins 20. Jahrhundert hinein davon abgehalten, auf den Grund des Ozeans zu tauchen. Dieser Traum der Menschheit war fast ebenso schwierig zu realisieren wie die erste Landung auf dem Mond.
Phänomen Tiefsee
Erst seit wenigen Jahrzehnten gibt es technische Möglichkeiten, den unbekannten Kontinent Tiefsee zu erkunden. Möglich geworden sind diese Expeditionen ins Unbekannte unter anderem durch Pioniere wie den Schweizer Tiefseeforscher Jacques Piccard. In den 50er des 20. Jahrhunderts Jahren gehörte er zu den Wissenschaftlern, die nur ein Ziel vor Augen hatten: Zum tiefsten Punkt der Erde zu tauchen.
Ein geborener Wissenschaftler
Das Interesse an Wissenschaft und Technik schien dem in Brüssel geborenen Schweizer in die Wiege gelegt. Auch sein Vater Auguste Piccard, ein Physiker, war mit einem gewagten Experiment zu Weltruhm gelangt: Als erstem Menschen war es ihm gelungen in einer unter einem Heliumballon hängenden Druckkapsel bis zur Stratosphäre vorzudringen. Diese Teilschicht der Atmosphäre beginnt ca. 18 Meter über der Erdoberfläche.
Im Team mit der Navy
Jacques stieg gleich nach Abschluss eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums mit in die Arbeit seines Vater ein. Dieser hatte sich inzwischen auf die Konstruktion und den Bau von Tiefseetauchgeräten, so genannter Bathyscaphen, verlegt. Im Dienst der amerikanischen Marine entwickelten Vater und Sohn die „Trieste“, mit dem die US-Navy zu einem der tiefsten Punkte der Erde tauchen wollte: zum Grund des Marianengrabens im Pazifischen Ozean, fast 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel.
Wie ein Zeppelin unter Wasser
Das von den Piccards entwickelte Boot gab nach mehreren Testfahrten vor der Insel Capri allen Anlass zum Optimismus. In Aussehen und Funktionsweise glich die „Trieste“ den deutschen Luftschiffen, die Graf Zeppelin Anfang der 30er Jahre entwickelt hatte. Der Auftrieb des Bootes wurde so geregelt, dass es das spezifische Gewicht des Wassers in jeder beliebigen Tiefe annehmen konnte.
Ein nervenaufreibender Tauchgang
Die Reise auf den Meeresgrund sollte allerdings keine Vergnügungsfahrt werden. Zwei Mann Besatzung mussten sich am 23. Januar 1960 in eine nur zwei Meter 20 durchmessenden Kugel aus 18 Zentimeter dickem Stahl quetschen, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen: Der amerikanische Marineleutnant Don Walsh und Jacques Piccard als sein wissenschaftlicher Berater.
Abenteuerliche Expedition
Die abenteuerliche Expedition begann punkt 8.23 Uhr. Von da ab sank das Tiefseeboot einen Meter pro Sekunde bis es um 13.06 Uhr endlich auf dem Grund des Marianengrabens im Pazifik aufsetzte. Ein Echolot warnte die beiden Besatzungsmitglieder vor einem unsanften Aufprall in völliger Dunkelheit. Nach kurzem Aufenthalt, bei dem Piccard durch zwei trichterförmige Plexiglasfenster nichts weiter als einen kleinen Fisch erspähen konnte, begann der dreieinhalbstündige Aufstieg.
Als das Team nach einem nervenaufreibenden neunstündigen Tauchgang unbeschadet wieder an die Meeresfläche kam, war der Jubel groß. Mit Piccards Hilfe hatten die Amerikaner es geschafft noch vor den Russen an die damals tiefste bekannte Stelle der Erde zu gelangen. Mit ähnlich knappem Vorsprung wie neun Jahre später beim Wettrennen um die erste Mondlandung. Piccard war von diesem Tag an ein gemachter Mann. Sein Rekord ging in die Geschichte ein und ist bis heute ungebrochen.
Auf dem Grund des Genfer Sees
Nach dem geglückten Experiment spezialisierte sich der Schweizer auf Unterseeboote für touristische Zwecke. In mehr als tausend Tauchfahrten führte er mehr als 33.000 Passagiere auf den Grund des Genfer Sees. Nebenbei engagierte er sich für den Umweltschutz und leitete die von ihm gegründete Stiftung zum Schutz der Meere und Seen in Cully. Nach alter Familientradition wurde auch Jacques Piccards Sohn als Wissenschaftler berühmt. Bertrand Piccards Team gelang im März 1999 die erste Non-Stopp-Umrundung der Erde in einem Heißluftballon.