9. November: Der Schicksalstag der Deutschen
Am 9. November fiel nicht nur die Berliner Mauer. Dieser Tag markierte mehrfach einen schicksalhaften Tag in der Deutschen Geschichte.
Immer wieder war der 9. November bedeutsam für das Schicksal Deutschlands und seiner Demokratie. An fünf markanten Jahreszahlen wird dies besonders deutlich: 1848, 1918, 1923, 1938 und 1989.
1848
In Deutschland hat es besonders lang gedauert, bis sich eine demokratische Regierungsform durchsetzte. Erst im 20. Jahrhundert löste sie die Monarchie ab. Dabei gab es schon früher Bestrebungen, auch in der deutschen Monarchie demokratische Reformen durchzuführen.
1848 führten die politischen Spannungen in einigen deutschen Staaten sowie in Österreich zu Revolutionen, die zunächst erfolgreich waren. Die Könige versprachen wieder Verfassungen und führten Presse- und Versammlungsfreiheit ein.
Am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche in Frankfurt erstmals die Deutsche Nationalversammlung aus Abgeordneten aller deutschen Staaten zusammen, um ein Gesetz über die Grundrechte des Deutschen Volkes zu beschließen eine demokratische Verfassung für ein geplantes Deutsches Reich.
Allerdings konnten sich die demokratischen Kräfte damals nicht gegen die Fürsten behaupten, die über Heer und Verwaltung bestimmten.
Am 9. November 1848 wurde der Paulskirchen-Parlamentarier Robert Blum in Wien als Verräter hingerichtet
Am 28 März 1849 wurde die erste freiheitliche Verfassung der Deutschen verabschiedet. Noch im gleichen Jahr löste sich die Versammlung wieder auf, die sogenannte Reichsverfassung trat nicht in Kraft.
1918
Das Kaiserreich brach 1918 zusammen, als Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte.
Am 9. November 1918 gab Reichskanzler Max von Baden eigenmächtig die Abdankung des deutschen Kaisers Wilhelm II. und den Thronverzicht des Kronprinzen bekannt. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann (1865-1939) rief die deutsche Republik aus.
Zwei Stunden später proklamierte Karl Liebknecht die freie sozialistische Republik Deutschlands, doch ohne Wirkung. Die Regierungsgeschäfte wurden an den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert übertragen. Zwei Tage später kam es zum Waffenstillstand. Der Krieg war vorbei: Deutschland musste die besetzten Westgebiete und das linke Rheinufer räumen und das schwere Kriegsmaterial ausliefern.
1919 wurden Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung abgehalten. Wegen der Unruhen und Straßenkämpfe trat diese nicht in der Hauptstadt Berlin, sondern in Weimar zusammen. Daher nennt man den damals entstandenen Staat Weimarer Republik.
Während in anderen Staaten Demokratien schon lange funktionierten, gab es in Deutschland keine Erfahrung mit dieser Regierungsform. Dazu bekämpften mehrere Parteien offen die Republik: Die Kommunisten wollten eine sozialistische Herrschaft des Volkes, andere wollten wieder einen Kaiser und die Nationalsozialisten eine Diktatur unter einem allein herrschenden Führer.
1923
Die bayerische Polizei verhinderte am 9. November 1923 den Hitler-Putsch. An der Münchner Feldherrnhalle endete der "Marsch auf Berlin", ehe er richtig begonnen hatte. Angeklagt wurden, neben Adolf Hitler und Erich Ludendorff, auch der spätere Reichsinnenminister Wilhelm Frick und der spätere SA-Stabschef Ernst Röhm. Hitler wurde im April 1924 zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, aber bald auf Bewährung freigelassen.
Am 9. November 1925 gründete Hitler die SS (Abkürzung für "Schutzstaffel").
Als 1929 die Weltwirtschaft in eine schwere Krise geriet und die Arbeitslosigkeit in Deutschland immer schlimmer wurde, konnte keine der Parteien im Reichstag eine Mehrheit erringen und halten. So ernannte Hindenburg Hitler zum Reichskanzler, weil er sich davon eine Besserung der Verhältnisse versprach. Doch Hitler schaffte die Republik ab und errichtete das so genannte "Dritte Reich".
1938
9. November 1938 - In der Pogromnacht kam es in Deutschland zu massiven Ausschreitungen gegen Synagogen, jüdische Geschäfte und jüdische Bürger.
Die Bezeichnung "Reichskristallnacht", deren Herkunft nicht definitiv geklärt ist, bildete und erhielt sich für das reichsweite Pogrom gegen die Juden im Deutschen Reich, das am 9./10.11. 1938 stattfand. Der oft verwendete Begriff verharmlost aber den Schrecken des Ereignisses, so dass man besser von Pogromnacht spricht.
91 jüdische Männer und Frauen wurden in jener Nacht in ihren Wohnungen, am Arbeitsplatz, auf offener Straße oder in den Gotteshäusern ermordet. Zehntausende wurden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. 191 Synagogen gingen in Flammen auf, 76 weitere wurden völlig vernichtet. Hunderte weitere Synagogen und Gebetsstuben wurden demoliert, etwa 7.000 Geschäfte jüdischer Einzelhändler.
SS und Gestapo organisierten die Verschleppung von etwa 26.000 jüdischen Männer und Jugendlicher in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen. Die Masse der Inhaftierten kam erst nach Auswanderungserklärungen frei. Deutschland sollte "judenfrei" werden.
1989
9. November 1989 - Die Mauer fällt: Das SED-Politbüromitglied Günter Schabowski erwähnt auf einer Pressekonferenz scheinbar beiläufig, die DDR habe mit sofortiger Wirkung die Grenzen geöffnet. Wenig später stürmen Tausende DDR-Bürger über die Grenzübergänge. 28 Jahre nach ihrer Errichtung fällt die Mauer.
Statt des beabsichtigten kontrollierten Reiseverkehrs ab dem 10. November, lösen Schabowskis Mitteilungen und die Berichterstattung über die Pressekonferenz einen Ansturm von Ost-Berlinern auf die Grenzübergänge aus.
Am Grenzübergang Bornholmer Straße, im dicht besiedelten Stadtbezirk Prenzlauer Berg gelegen, ist der Ansturm am stärksten. Zunächst reagieren die Grenzwächter abwartend, verweisen die Menschen auf den nächsten Tag. Dann erlauben sie einzelnen die Ausreise. Der Druck vor dem Schlagbaum wird so stark, dass die Passkontrolleure und die Grenzsoldaten um ihr Leben fürchten.
Auf eigene Entscheidung stellen sie gegen 23.30 Uhr alle Kontrollen ein. Wir fluten jetzt! kündigt der leitende Offizier der Passkontrolle an; dann werden die Schlagbäume geöffnet. Die Öffnung der Bornholmer Straße löst eine Kettenreaktion aus: Um Mitternacht stehen alle innerstädtischen Grenzübergänge offen. Die Mauer ist weg - nach 28 Jahren.
Wegen des Mauerfalls wollten viele Deutsche den 9. November zum Nationalfeiertag erheben. Wegen der schrecklichen Ereignisse der Reichspogromnacht 1938 war dies jedoch unmöglich. Deshalb wird der Tag der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten, der 3. Oktober 1990, zum Gedenktag erhoben.